Erich Langjahr
kommt mit der Reprise «Hirtenreise ins dritte Jahrtausend » ins Kino
Er ist 69 Jahre alt, lebt in der Stadt Luzern und fällt durch seinen extravaganten Kleidungsstil und vor allem durch seine Tattoos auf. Die Rede ist vom 69-jährigen Gilbert Schaffner – einer Art lebenden Kunstfigur –, der rund 70 Prozent seines Körpers tätowieren liess.
Er ist oft in rote, enganliegende Ganzkörperanzüge gekleidet und sein Gesicht und sein Kopf sind fast vollständig tätowiert. Wer in der Stadt Luzern lebt, wird Gilbert Schaffner das eine oder andere Mal über den Weg gelaufen sein und sich mehr oder weniger dezent nach ihm umgedreht haben. Mit seinen geschwärzten Augen, den wegoperierten Ohren und dem grossen weissen Lippenstecker – einem sogenannten «Plug» – löst sein Äusseres bei seinen Mitmenschen gemischte Gefühle aus. Auf die Frage, als was man ihn bezeichnen könnte, antwortet Schaffner: «Ich bin ein sehr bewahrender Typ, der gerne Sachen behält, die er besitzt. Wenn ich Leute bei mir einlade, dann sage ich im Vorfeld immer, dass sie bei mir in die Fünfziger-Jahre zurückkehren werden. Meine Eltern haben 1953 geheiratet und die Wohnungseinrichtung entspricht immer noch dieser Zeit, denn ich gebe nichts weg, was noch funktioniert.» Tatsächlich lebte Schaffner 58 Jahre lang zusammen mit seinen inzwischen verstorbenen Eltern in einer Wohnung an der Himmelrichstrasse, in der er auch heute noch daheim ist.
Schaffner lässt den Begriff des Stadtluzerner Originals als Bezeichnung für ihn gelten, denn er sagt über sich: «Ich bin immer speziell gewesen und das seit Jahrzehnten. Es war nie so, dass ich der Norm entsprochen habe, nur schon wegen meiner Kleider und meiner Frisuren.» Die Frage, die sich beim Anblick von Gilbert Schaffner als erstes stellt, ist die nach dem Beweggrund für seine vielen, zumeist grossflächigen Tattoos, die seinen ganzen Körper zieren. «Ich lasse mir Tattoos stechen, weil sie mir gefallen», lautet die etwas banal anmutende Antwort. «Ursprünglich wollte ich mir sichtbar nur die Augen schwärzen lassen. Durch einen Zwischenfall mit jemanden ist die Farbe ausgelaufen und danach hatte ich immer ein blaues Auge. Da man dies nicht wegmachen lassen konnte, habe ich mich entschlossen, einfach alles zu tätowieren.» Eine Präzisierung der kryptischen Antwort lässt er aus privaten Gründen bewusst aus.
Man könne seine Passion auch als Hobby bezeichnen. «Andere malen, schnitzen oder bauen Dinge aus Metall. Für mich dient einfach mein Körper als Gestaltungsgrundlage.» Zum Teil geht er damit auch Risiken ein, wie beispielsweise beim Einschwärzen der Augäpfel, dem sogenannten Eyball-Tattoo. «Dabei wird pro Auge mit vier Nadeleinstichen Farbe in das Auge gespritzt, die dann gleichmässig verläuft», erklärt Schaffner und führt weiter aus: «Solche Injektionen dürfen nur von Body-Modification-Artists und nicht von herkömmlichen Tätowierern gemacht werden und man muss sich genau an die Vorgaben halten, sonst läuft man Gefahr, zu erblinden.» Am schlimmsten zu tätowieren sei allerdings die Nase, da man immer wieder niesen muss, fügt Schaffner schmunzelnd hinzu.
Sein allererstes Tattoo, – einen Samurai, der einen Drachen tötet –, war ein Wunsch zu seinem 40. Geburtstag. Doch jemand zu finden, der ihm zu dieser Zeit dieses Geburtstagsgeschenk bescheren wollte, war alles andere als ein leichtes Unterfangen. «Ich habe in der ganzen Schweiz herumgesucht, bis ich mit dem Studio Hot Flash an der Bernstrasse in Luzern jemanden gefunden habe, der einwilligte.» Damals war das Stechen von Tattoos nur einigen wenigen vorbehalten, – erst recht, wenn die Motive gross und an unüblichen Stellen aufgetragen werden sollten. Nicht selten eckte man in der Gesellschaft an. Schaffner erinnert sich zurück: «Vor 30 Jahren wurde ich in Buochs aus einer Badi und in Beckenried aus einem Restaurant herausgewiesen.»
Immer wieder wird er auch heute noch mit Anfeindungen gegen seine Person konfrontiert. «Probleme habe ich eigentlich nur mit Menschen zwischen 35 und 55 Jahren. In einem Jahr wurde ich acht Mal von Personen dieser Altersgruppe verprügelt.» Was ihn aber vor allem stört, sind erziehungsberechtigte Personen, die Kinder mit dummen Aussagen verängstigen. «Ein Erwachsener sagte beim Warten vor dem Fussgängerstreifen zu Kindern, dass sie sofort wegrennen sollen, wenn sie mich sehen, da ich sie sonst mit nach Hause nehmen, kochen und essen würde.» Aber es gebe auch viele erheiternde Momente, wie etwa jener, als Schaffner im Schneetreiben und mit hochgezogener Kapuze auf einen Zug wartete und von einem Knirps gefragt wurde, ob er der «Schmutzlichlaus» sei. Oder jener, als sich eine indische Reisegruppe vor ihm hingekniet und gebetet habe. «Im Grossen und Ganzen ziehe ich ein positives Fazit.»
Stefan Kämpfen
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